Filmkritik: Gravity (seit 3. Oktober 2013 im Kino)


Das Kinojahr 2013 war für die Fans der Science-Fiction bislang bereits sehr abwechslungsreich, denn mit Superhelden (Iron Man 3, Man of Steel, The Wolverine), Alien-Invasionen (Pacific Rim), Dystopien (Oblivion, Elysium) und Space Operas (Star Trek Into Darkness, Riddick) wurden zahlreiche Themenkreise des Genres bedient. Seit dem 3. Oktober läuft mit Gravity nun ein Film in unseren Kinos, der einen ganz eigenen Weg geht, sich dadurch von den Konkurrenten deutlich abhebt und vielleicht das Zeug zum Klassiker hat.

Gravity handelt von der Bio-Medizinerin Dr. Ryan Stone (Sandra Bullock), die auf ihre erste Weltraum-Mission geht. Kommandant ist der Astronaut Matt Kowalski (George Clooney), ein Veteran auf seinem letzten Trip ins All vor dem Ruhestand. Was wie ein Routineausflug der beiden Astronauten außerhalb ihres Space Shuttles aussieht, endet jedoch im Desaster, denn der Raumpendler wird von Trümmerteilen zerstört und Ryan und Matt finden sich plötzlich ganz alleine in den dunklen Tiefen des Weltraums wieder. Der Kontakt zur Bodenstation ist abgerissen und Aussicht auf Rettung von der Erde besteht auch keine. Durch eine Sicherungsleine mit einander verbunden, geht den Astronauten langsam der Sauerstoff aus und wenn sie nicht sterben wollen, müssen sie sich schnell etwas einfallen lassen.

Alfonso Cuaróns ist Kinogängern vor allem durch die Romanverfilmung Harry Potter und der Gefangene von Askaban bekannt, mit dem der 1961 in Mexiko-Stadt geborene Regisseur im Jahre 2004 seinen Durchbruch in Hollywood schaffte. Dem Blockbuster folgte zwei Jahre später die Dystopie Children of Men, die sich im Gegensatz zum Harry-Potter-Spektakel als finanzieller Reinfall entpuppte. Seitdem war es um den Filmemacher still geworden. Nun ist er zurück und hat mit Gravity einen Film im Gepäck, dessen Realisierung Cuarón in der Planungsphase sicherlich einiges an Überzeugungsarbeit gekostet haben dürfte. Seien wir ganz ehrlich: Einem Hollywood-Studio (in diesem Falle Warner Bros.) 100 Mio. Dollar für einen Streifen aus den Rippen zu leiern, in dem es keine Aliens und Materialschlachten gibt, in dem nicht ständig das Überleben der Welt auf dem Spiel steht und der ausschließlich auf die Zugkraft von zwei – zugegebenermaßen berühmten – Schauspielern setzt, ist eine echte Leistung. Cuarón hat dies geschafft und so kann das Publikum nach mehrjähriger Produktionszeit einen Film genießen, der sowohl Auge als auch Herz anspricht und dabei alle belohnt, die sich immer noch standhaft weigern, ihr Gehirn an der Garderobe abzugeben, ehe sie den Kinosaal betreten.

Dass Gravity beim Zuschauer solch einen starken Eindruck hinterlässt, verdankt der Film drei Elementen. Einerseits der Tatsache, dass die Story sich auf gerade einmal zwei Figuren konzentriert, diese nicht als Superhelden portraitiert werden, sondern als glaubwürdige und nahbare Charaktere mit individuellen Schwächen und Marotten. Dies verleiht den Protagonisten Dr. Ryan Stone und Matt Kowalski Profil und sorgt dafür, dass das Publikum schnell eine emotionale Verbindung zu den beiden Astronauten aufbaut – eine Beziehung, die den ganzen Film über halten wird. George Clooney und Sandra Bullock verkörpern ihre Charaktere absolut überzeugend und tragen den Film über die gesamten ca. 90 Minuten, wobei gerade Bullock stark gefordert ist, denn Dr. Stone macht eine emotionale Tour de Force durch, die sich gewaschen hat. Mehr als einmal ist sie dem Zusammenbruch nahe, doch nie werden diese Szenen kitschig. Zum zweiten ist es die sehr subtil eingesetzte Macht der Bilder, die Cuaróns Werk von vielem abhebt, was dieses Jahr bisher im Kino zu sehen war. So wird die Erhabenheit der unendlichen Weite des Alls mit der Tödlichkeit dieser Umgebung für den Menschen kontrastiert, die Darstellung der Schönheit unseres Planeten fällt zusammen mit schmerzvollen Erkenntnis der Unerreichbarkeit der Erde für die Gestrandeten. Dies alles wird in 3D präsentiert und während man gelegentlich den Eindruck hat, in manchen Filmen sei dieses Verfahren lediglich ein Gimmick, mit dem höhere Eintrittspreise gerechtfertigt werden sollen, stellt der Regisseur diesen Effekt in Gravity vollständig in den Dienst der Geschichte. Was drittens begeistert ist die Genauigkeit, mit der in diesem Film die real existierende Raumfahrt dargestellt wird. Sicherlich, Gravity ist Science-Fcition, doch das Wort Science müsste man im Bezug auf diesen Film ganz groß schreiben, denn Cuarón hat wirklich alles getan, um heutige Raumfahrt und die Bedingungen für die Astronauten so exakt wie nur irgendwie möglich abzubilden. Das Shuttle-Programm ist zwar inzwischen Geschichte und die chinesische Raumstation ist noch nicht so weit ausgebaut, wie es in diesem Film gezeigt wird, doch ansonsten hat der Regisseur, der auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnet, sich kaum Freiheiten genommen. Wer also keine Lust hat, sich trockene Dokumentationen zum Thema anzuschauen, für den bietet sich Gravity als gelungene und spannende Alternative an, um das Wissen über den Stand der realen Raumfahrt aufzufrischen.


Gravity lädt sein Publikum ein zu einer unterhaltsamen und packenden Reise in den erdnahen Orbit und diesen Trip sollte man sich auf keinen Fall entgehen lassen. Schon allein deshalb nicht, um Alfonso Cuarón zu danken und für seinen Mut zu belohnen, einen Film zu drehen, der den Zuschauern wieder einmal deutlich macht, was für eine tolle Grundlage für spannende Geschichten die tatsächlich stattfindende Raumfahrt bildet. Falls diese Rezi jemand auf der ISS gerade liest: Ihr seid echte Helden, Leute! 

Gravity ist ein Film von Alfonso Cuarón mit Sandra Bullock und George Clooney. Er läuft seit dem 3. Oktober 2013 in den deutschen Kinos.

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