Geht es nach dem Lexikon des Science Fiction Films, dann hat Alfred Hitchcock tatsächlich einen SF-Film gedreht, denn in dem Nachschlagewerk ist sein Film Die Vögel aus dem Jahre 1963 verzeichnet. Ob diese Genrezuschreibung nun passt oder nicht, darüber kann man durchaus unterschiedlicher Meinung sein. Unstrittig ist jedoch, dass der Master des Supense vor diesem Film einen weiteren Meilenstein der Kinogeschichte schuf: Psycho. Autor Stephen Rebello hat ein Buch über die Entstehung dieses Films geschrieben und Regisseur Sacha Gervasis daraus einen sehr sehenswerten Film gemacht, der seit heute in den deutschen Kinos läuft.
Hitchcock, so der Titel, spielt während der Zeit der Dreharbeiten zu Alfred Hitchcocks bahnbrechendem Film Psycho. Es ist eine Liebesgeschichte über einen der einflussreichsten Filmemacher des letzten Jahrhunderts, Alfred Hitchcock, und seine Ehefrau und Partnerin Alma Reville. Als Alfred Hitchcock (Anthony Hopkins) das Buch Psycho in die Hände fällt, ist er überzeugt, einen grandiosen Filmstoff entdeckt zu haben, doch die Filmbranche ist skeptisch. Unterstützt durch seine Frau Alma (Helen Mirren) beschließt er, das Projekt dennoch zu wagen und den Film aus eigener Tasche zu finanzieren. Nach vielen Anstrengungen und mit Almas Rat kann Hitchcock schließlich die Dreharbeiten mit Janet Leigh (Scarlett Johansson), Vera Miles (Jessica Biel) und Anthony Perkins (James D’Arcy) beginnen.
Hitchcock ist nicht zuletzt deshalb bemerkenswert, weil er einen der berühmtesten Filmemacher selbst zu Filmfigur macht und Facetten dieses Menschen aufzeigt, die selbst Kenner seiner Filme bislang so nicht bewusst waren. Anthony Hopkins verkörpert Hitchcock als ein egomanisches Genie und übernimmt dessen Mimik und Körpergestik derart vorbildgetreu, dass die Grenzen zwischen dem Schauspieler und dem realen Hitchcock verwischen. Obwohl sich Alfred Hitchcock mit 60 Jahren bereits als feste Größe in der Filmwelt etabliert und eine Reihe wegweisender Werke auf die Leinwand gebracht hatte, stürzte sich der Regisseur nach Durchlesen des gleichnamigen Buches von Robert Bloch ohne große Überlegungen in sein neustes Großprojekt Psycho. Er kaufte die Rechte am Buch und versuchte so viele Kopien wie nur möglich aus den Buchläden des Landes zu entfernen, damit die Wirkung des schockierenden Finales für den Zuschauer erhalten bleiben konnte. Nach den ersten Vorbereitungen zu Psycho stellte Hitchcock Paramount sein neustes Projekt vor, wurde jedoch binnen kürzester Zeit vor die Tür gesetzt. Psychomochte zwar im Rahmen einer literarischen Vorlage funktionieren, war für das Studio als Filmumsetzung jedoch einfach schier unvorstellbar und für das Publikum zudem viel zu brutal – die Finanzierung wurde verweigert. Hitchcock ließ sich von diesem Rückschlag jedoch nicht entmutigen und nahm kurzerhand eine Hypothek auf sein Haus auf, um den Film aus eigener Tasche finanzieren zu können. Ein riskantes Unterfangen, das sich am Ende allerdings rentieren sollte.
Dass dies gelang, verdankte Hitchcock, daran lässt der Film keinen Zweifel, vor allem seiner Frau Alma, überzteugend gespielt von Helen Mirren. Sie ist ihm nicht nur eine unterhaltsame und würdige Partnerin in spritzigen Dialoggefechten, sondern vor allem eine starke Frau, ohne die Hitchcock nie seine Ziele hätte erreichen können. Obwohl sie aufgrund des ungemein heiklen und riskanten Projekts vermehrt Sorgen und Existenzängste plagten, stand ihrem engstirnigen Gatten aber trotz zahlreicher Höhen und Tiefen tapfer zur Seite. Eine unverzichtbare Stütze, die Hitchcock durch die schwere Zeit half.
Hitchcock musste Psycho mit einem spärlichen Budget von knapp 800.000 Dollar drehen, konnte sich jedoch auf ein zuverlässiges und treues Team verlassen. Zudem konnte er die beiden bekannten Schauspieler Anthony Perkins und Janet Leigh verpflichten, die in Hitchcock von James D'Arcy und Scarlett Johannsen dargestellt werden. Hitchcocks Obession für Blondinen ist ein weiteres durchaus brisantes Thema, dessen sich der Film annimmt. Mehr als einmal musste Janet Leigh unter Hitchcocks manischen Phasen leiden – eine Erfahrung, die Vera Miles, verkörpert durch Jessica Biel, bereits machen musste und darum dem Regisseur äußerst ablehnend gegenüberstand.
Regisseur Sacha Gervasis wählte eine zentrale Episode aus dem Leben der Kinolegende, um das Phänomen Hitchcock dem Zuschauer von heute näher zu bringen. Er zeichnet dabei aber nicht nur ein Bild des Regisseurs, sondern auch jener Ära Hollywoods, in der das alte Studiosystem immer mehr zerbrach und PR-Experten und Buchhalter das Ruder übernahmen. Obwohl Gervasis mit kleinen dramaturgischen Raffinessen arbeitet, die wahrscheinlich auch Hitchcock gefallen hätten, ist seine Bildsprache eher ruhig und auf die zentralen Figuren fokussiert. Das Resultat ist ein sehr ansprechendes Biopic mit liebevoller Ausstattung und einer Laufzeit von 98 Minuten, das dem Zuschauer eine Legende als zielstrebigen aber auch verletzlichen Menschen zeigt, über dessen Erfolg der Filmkritiker Charles Champlin einmal gesagt hat: „Vier Hände waren beim Hitchcock-Touch im Spiel – und zwei gehörten Alma.“
Hitchcock läuft seit dem 14. März 2013 in den deutschen Kinos.
Fotos: Coyright 20th Century Fox
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